Casanova in Augsburg - Glänzen um jeden Preis
Casanova. Das Wort steht für einen ganz besonderen Mann: einen, der unwiderstehlich ist, Frauen betört, erobert, verführt und ihre Herzen bricht – für einen Abenteurer und Schürzenjäger, der nichts anbrennen lässt. Diesen zweifelhaften Ruf hat der Venezianer Giacomo Casanova (1725-1798) selbst kreiert, mit seinen Memoiren.


Schon mit 17 Jahren war er ein promovierter Jurist. Später versuchte er, Karriere in der Kirche zu machen. Doch in seiner Heimatstadt wurde der angehende Priester wegen Gottlosigkeit verurteilt und in die berüchtigten Bleikammern gesteckt. Von dort gelang ihm die Flucht. Statt sich bescheiden zurückzuziehen, reiste er durch Europa: mal als Orchestergeiger oder auch als Hauslehrer, Seidenfabrikant, Offizier, Diplomat, Lotteriedirektor, Magier bzw. Wunderheiler. Immer suchte er dabei die Nähe zu den Schönen und Reichen, hielt sich an den Höfen Friedrichs des Großen, Josephs II. und Katharinas der Großen auf, traf sogar einen Papst. Schon sein schillerndes Leben wäre ein ergiebiger Romanstoff. Zur bewunderten, bestaunten, kopierten und verachteten Legende wurde Giacomo Casanova aber mit seiner Biografie bzw. mit den darin ausführlich beschriebenen erotischen Abenteuern. Leidenschaftliche Vergnügungen genoss der venezianische Lebemann auch in Augsburg.
Niemand würde heute fragen: Welcher Casanova? Dabei hatte Giacomo fünf Geschwister, von denen, außer ihm selbst, zwei weitere Brüder berühmt wurden. Doch die Maler Francesco und Giovanni sind heute fast vergessen. Ihre Rolle spielte Giacomo in seinen Memoiren zu einer Randnotiz herunter. Seinen Bruder Gaetano stempelte er sogar zum Tölpel ab und schilderte genüsslich, wie er ihm dessen Freundin ausspannte. Raffiniert kreierte der das Bild eines unwiderstehlichen Lebemannes, das seitdem als Vorlage zahlreicher Bücher, Opern, Filme und Theaterstücke dient.
Im Laufe seines turbulenten Lebens dichtete sich Casanova verschiedene wohlklingende Stammbäume an. Tatsächlich waren seine Eltern jedoch Schauspieler, die im Jahr nach seiner Geburt für ein Engagement nach London zogen und ihren Sohn bei der Großmutter zurückließen. Im Alter von 12 Jahren schickte ihn diese ihn zum Studium nach Padua, wo Giacomo beim Kartenspiel alles verkaufte oder verpfändete, was er besaß. Die Oma löste ihn aus und nahm ihn wieder mit nach Venedig. Dort bewunderte er das flirrende Treiben der Adligen und Reichen sein und fing an, sich mit übertrieben grell-modischer Kleidung interessanter zu machen. Diesem Hang zu extravaganter Garderobe, einer parfümierten Frisur, hörbar an der Weste klimpernden Golduhren und goldbetresstem Rock blieb er lebenslang treu. Ebenso, wie dem Glücksspiel, bei dem er immer wieder hohe Summen verlor. Über Jahrzehnte führte Casanova das Leben eines Nomaden. Er zog von Land zu Land und musste oft überstürzt aufbrechen, weil er sich durch Affären, finanzielle Schulden oder Auseinandersetzungen Feinde gemacht hatte.
Nach Augsburg kam der Lebemann zuerst im Jahr 1756. Im Auftrag des portugiesischen Königs sollte er an einem Friedenskongress in Augsburg teilnehmen, der dann aber doch nicht stattfand. Ein Bankier, der ihm offenbar noch einen Gefallen schuldet, besorgte ihm ein möbliertes Haus mit Garten, das er für sechs Monate mietete. Unterwegs hatte Casanova eine Balletttänzerin kennengelernt und eine leidenschaftliche Affäre mit ihr angefangen. Seine schöne Begleiterin zog zu ihm und er beschreibt sie wenig schmeichelhaft: Abends habe sie stets sehr viel gespeist und sei erst zu Bett gegangen, wenn sie „etwas benebelt“ war. Dort habe sie ihn beim Liebesspiel so strapaziert, dass er sie mehrfach bitten musste, ihn “in Ruhe zu lassen“. Ein Ausflug beider nach München wird zum Desaster: Casanova verspielt beim Glücksspiel Pharao eine Unmenge Geld und stellt fest, dass ihn seine Affäre mit der Syphilis infiziert hat. Fast mittellos kehrt er nach Augsburg zurück, wo er nur langsam wieder zu Kräften kommt und, kaum genesen, eine Affäre mit seiner Köchin und der Tochter seines Vermieters beginnt. Beide Frauen trifft er wieder, als er 1767 erneut in die Stadt am Lech kommt und einen Maskenball besucht. Doch sie haben kein Interesse mehr an ihm und er zieht weiter.
Illustrationen: Alexander Kohler (mehrbunt.de)